Die Chronik des Liederbocks

Viele Mythen und Geschichten ranken sich um den Liederbock. Einer der Ur-Autoren „Löffel“ hat sich die Mühe gemacht und eine „Liederbock-Chronik“ geschrieben, in der er einige Geschichten aus der Entstehungszeit des Liederbocks preisgibt. Danke Löffel, für deine Mühen und die vielen Einblicke! 

Viel Spaß beim Lesen!

Die Chronik des Liederbocks

Die Anfänge

In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte der VCP Bezirk Homburg (Niedersachsen – Northeim, Salzderhelden, Hullersen, Dassel, Eschershausen, Holzminden, Alfeld, Duingen) eine stattliche Liedersammlung, die, wenn man die farbigen DIN-A5 Blätter zum Schutze in Prospekthüllen verpackte, den Umfang von zwei bis drei normalen Ringbüchern einnahm. Die umfangreiche Auswahl der Lieder umfasste die Rubriken Morgen- und Abendlieder, moderne Kirchenlieder, Gospels, Songs, Pfadfinderlieder, Volkslieder, Seemannslieder und Spaß- und Quatschlieder. Es war sozusagen eine dicke, fette Mundorgel mit Gitarrenakkorden.

Diese ehrwürdige Sammlung im handlichen Schrankformat ließ sich allerdings schwerlich mit auf Fahrt nehmen und so entstand der Gedanke, ein Fahrtenliederbuch zu schaffen, das in die Brusttasche eines Klufthemdes passt. (Dass heute die Fahrtenhemdkonfektionäre die Taschen der Klufthemden dem Liederbock anpassen müssen, ist eine andere Sache.)

Wo kommt eigentlich der Name her?

Von dieser Idee beseelt saßen eines schönen Sommernachmittags ein paar Homburger im Garten der Familie P. im südniedersächsischen Dassel und entwarfen das Konzept für das neue Liederbuch. Der Nachmittag wurde länger und nach Zuspruch einer lokalen Spezialität aus Einbeck wurde ein Name für das neue Liederheft gesucht. Um die Kosten für den Druck zu minimieren wurde überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, einen Teil der Mittel durch einen namenhaften, nennen wir ihn einmal Getränkehersteller, mit Werbung finanzieren zu lassen. Und so verblödelte die Mannschaft eine ganz schön lange Weile bis der Arbeitstitel Liederbock entstand. Es wurden auch solche absurden Vorschläge wie Brauherrenlieder, Pilsbiernoten, Meine kleine Liederhure, Ur-Bock-Songs und ähnlicher Blödsinn ersonnen, aber aus Respekt vor den Liedschaffenden wieder verworfen.

Wer jetzt denkt, dass der Titel Liederbock auch nur im Entferntesten mit Alkohol zu tun hat, der irrt gewaltig! Die Verbindung zum Bock kam nur zustande, weil Ziege unser Chef in der Bezirksleitung war und der Name für das Liederbuch ganz klar dem Begriff „Ziegenbock“ entnommen wurde. Das jedenfalls war die offizielle Erklärung für Pimpfe, Wölflinge und Pfadfinder unter 16 Jahren. Und so hieß es dann auch im Vorwort:

„Wir haben immer Bock, neue Lieder kennen zu lernen und weiterzugeben. Deshalb trägt diese kleine Sonderausgabe für das Singen am Lagerfeuer den Titel Liederbock. Eine Ähnlichkeit mit dem Namen unseres ehemaligen Bezirkssprechers und mit seinem Lieblingsgetränk aus Einbeck ist rein zufällig.“

Der Inhalt

Die Liedauswahl sollte sich auf traditionelle Fahrtenlieder beschränken und es sollten neue, alte Lieder gefunden werden. Das war noch zu einer Zeit vor der Wende (ca. 1989), wo man im Bezirk Homburg eigentlich kaum überbündische Kontakte pflegte, statt krachledernen Kniebundhosen abgeschnittene Jeans trug und auch nicht viel über andere Pfadfindergruppen und Bünde wusste. Viele der Lieder, die zum großen Teil noch gar nicht im Bezirk Homburg bekannt waren, wurden von Rudi gesammelt und in das Repertoire aufgenommen. Deshalb sollten unbedingt Noten abgebildet sein, damit die Lieder auch selbst erlernt werden konnten. Auf Wunsch einiger schwacher Gitarrenspieler wie dem Verfasser, wurden die Akkorde über alle Strophen gesetzt, damit war es nunmehr möglich, die Lieder zu spielen und gleichzeitig zu singen. Was für eine revolutionäre Erfindung!

Da die Computertechnologie noch nicht so weit fortgeschritten war -man befand sich im ausgehenden Zeitalter des Commodore C 64 und der Atari-Computer mit bernsteinfarbenen Monitoren -wurden die Noten noch per Hand geschrieben und die Texte mit einem einfachen Textverarbeitungsprogramm erstellt.

Gedruckt wurde die erste Probeauflage auf weißem Papier und sie wurde mit Textilband im original Einbecker brauherrengrün eingebunden. Es handelte sich sozusagen um den Urbock unter den Liederbüchern, der im Übrigen um den Missbrauch zu GEMA-pflichtigen Zwecken zu verhindern und zum Schutz der Liedrechte, nur nach dem Gehör aus umgangsmäßigen Singen zum ausschließlich privaten Gebrauch aufgezeichnet wurde. Die ersten dreihundert Stück wurden zum Pfingstlager 1990 herausgegeben und nun begann die harte Zeit des Einsingens.

Für Ende 1991 wurde die Neuauflage mit etwa drei- bis vierfachem Umfang angelobt, aber es sollte ganz anders kommen: in den darauffolgenden Jahren tat sich gar nichts. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe verschlug es beruflich und privat in alle Himmelsrichtungen und das Projekt Liederbock schlief ein. Alle, die bis jetzt ein Exemplar hatten, waren auch damit zufrieden und der Bedarf war erst einmal gedeckt. Im Laufe der Zeit allerdings verloren die Böcke der ersten Auflage nach und nach ihre Seiten, landeten dann und wann im Matsch eines verregneten Lagers, wurden verloren, verbrannt, von Mäusen angeknabbert und sogar in ganz, ganz schlimmen Fällen gestohlen.

Der braune Liederbock

Dem VCP Bezirk Harz ist es zu verdanken, dass Mitte der 1990er Jahre dem Projekt Liederbock wieder neues Leben eingehaucht wurde. Einige Mitglieder aus Harz/Homburg orientierten sich damals auch stärker als vorher über den Tellerrand unseres Verbandes hinaus und brachten von Treffen mit anderen Bünden viele schöne Lieder mit, die heute wie selbstverständlich gesungen werden, aber eigentlich erst seit wenigen Jahren im Repertoire der beiden Bezirke zu finden sind. Es fielen der neuen Arbeitsgruppe Liederbücher wie der Schwarze Adler, das Bulibu, der Zupfgeigenhansel, Liedsammlungen der Zugvögel und ähnliche Exponate in die Hände und so konnten man sich aus der großen Auswahl das Beste abgucken und viele Liedanregungen verwenden. Die bewährte Kombination von Noten, Text und Akkorden über allen Strophen, war allerdings in keinem der Bücher zu finden.

Eine weitere Quelle für neue Lieder waren Musikkassetten und CDs von Hein & Oss, Hannes Wader, Zupfgeigenhansel und anderer bekannter und weniger bekannter Aufnahmen des Thorofon-Verlags.

Im Northeimer Pfadfinderheim traf man sich in größeren Runden, um die Liedauswahl für einen neuen Liederbock festzulegen. Die Technologie der Personal Computer war mittlerweile soweit fortgeschritten, dass eine Software zum Setzen der Noten eingesetzt werden konnte, was die Arbeit erleichterte und die Qualität der Ausdrucke erheblich verbesserte.

Die Kriterien der Liederauswahl

Die Liedauswahl gestaltete sich besonders schwierig, da viele unterschiedliche Strömungen zu berücksichtigen waren. Erstmals beschäftigte man sich mit den inhaltlichen Belangen der Lieder, ihren Quellen und ihrem Ursprung. So sollte die Liedauswahl auf keinen Fall zu sehr politische Lieder beinhalten, keine chauvinistischen und frauenfeindlichen Inhalte haben und, und, und, und… aber ein Liederbuch am Ende mit nur zehn Titeln fand man auch irgendwie Käse. Die strengen Kriterien an das Liedgut wurden später stückweise aufgebrochen, jedes einzelne Lied nochmal auf Inhalt überprüft und besprochen. Nach positiver Entscheidung wurde es in eine Datei der zu bearbeitenden Titel aufgenommen. Dann begann die lange Zeit der Text- und Noteneingabe. Viele haben sich an dem verflixten Programm versucht und sind kläglich daran gescheitert. So blieb die Hauptlast der Arbeit an Julian aus dem ewig kalten Clausthal-Zellefeld hängen, aber der war ja Student und hatte alle Zeit der Welt.

Einige Fotos von aktuellen Fahrten nach Norwegen, Schweden und Schweizer Alpen wurden in das Layout eingefügt. Ein talentierter Künstler namens Mutti entwarf neue Zeichnungen in unterschiedlichen Stilrichtungen für das Liederbuch und das Gesamtwerk mit braunem Einband konnte sich wirklich sehen lassen. Der braune Bock sollte unbedingt zum Pfingstlager 1995 fertig werden, aber der Termin war nicht zu halten. Die Druckerei in Hannover hat vorab 100 Exemplare mit Klebebindung geliefert, die Mosch und Julian am Freitag vor Pfingsten noch abgeholt haben. Da saßen sie im Auto, glückselig ihrer Frucht der mühevollen Arbeit auf dem Schoss, als neben ihnen an der Ampel ein Tschibo-Laster hielt. Ihr Blick ging zwischen Bock und Laster hin und her und sie dachten: „Das sind genau dieselben Farben! Alle werden uns auslachen und Liederback oder andere hässliche Dinge zu unserem Liederbuch sagen.“ So schlimm kam es zwar nicht, trotzdem war man sich später allenthalben einig: Zur nächsten Auflage muss eine andere Farbe her, außerdem wurde Mutti angewiesen, die Frisur des singenden Jünglings zu stutzen. Da dieser keine kurzen Haare malen konnte oder mochte, endet das Gesicht seitdem auf Nasenhöhe. Auf der Seite 4 hieß es zur Einleitung:

Liebe Freunde der Musik,

wir haben es geschafft – nach einer etwas längeren Wartezeit haltet Ihr nun den neuen Liederbock in den Händen. Diese Auflage ist ein gelungenes Gemeinschaftswerk der VCP-Bezirke Harz und Homburg. Um es auf den Punkt zu bringen: Dieser Liederbock soll Spaß machen: Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Also feiert das Fest Kameraden!

Euer Arbeitskreis Liederbock

Noch heute gibt es Tondokumente von den ersten Lagerfeuerrunden mit dem braunen Liederbock. Ganz schön grausam, was da zum Teil zusammengesungen wurde.

An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass zu keiner Zeit mit der Herstellung und dem Vertrieb eines Liederbuches kommerzieller Profit erwirtschaftet wurde, noch jemals die Eigentumsrechte der Lieder verletzt wurden. Es hat nie eine Druckerei gegeben, die im offiziellen Auftrag eines Einzelnen oder einer juristischen Person einen Liederbock gedruckt oder vertrieben hat. Das Liederbuch ist also eine Fiktion, hat eigentlich niemals existiert und entstammt ausschließlich der reinen Phantasie. Ähnlichkeiten der im Text handelnden Personen, deren Namen durch Abkürzungen unkenntlich gemacht wurden, mit tatsächlich lebenden Menschen, sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

Der braune Liederbock war ein voller Erfolg. Irgendwie haben sich während eines Hamburger Sängerwettstreits mehrere Kisten mit Böcken ganz plötzlich im Foyer des CCHs wiedergefunden und schnell wechselten gegen etwas Kleingeld (Spenden) die Besitzer. Es kamen danach Anfragen aus ganz Deutschland, Österreich, Schweiz und den Subkontinenten nach dem Liederbock und das zum Teil auf abenteuerlichen Wegen, denn eigentlich existierte dieses Liederbuch ja gar nicht.

Da kein Impressum enthalten war, haben sich die hartnäckigsten Interessenten an den VCP Bundesverband in Kassel gewandt, doch hier war man ahnungslos und ein bündisches Liederbuch aus VCP-Feder mochte sich keiner so recht vorstellen. Was auch übrigens für viele Freundinnen und Freunde aus den anderen Bünden galt, die diese Art der Sangeskultur am wenigsten im VCP vermuteten. Schließlich ist man im VCP nicht bündisch, sondern eher verbandisch.

Die Lagerbestände des Liederbuchs, das es eigentlich niemals gab, wurden immer geringer nachdem sich die Stämme unserer Bezirke eingedeckt hatten. Und so gab es wieder eine lange Zeit von Monaten bis Jahren, in denen das Liederbuch abermals verloren, verbrannt, vermatscht, gestohlen wurde oder einfach nur aufgrund des exzessiven Gebrauchs zerfledderte. Die ersten Raubkopien tauchten auf. Mühsam erstellte und liebevoll gebundene Exemplare kann man hier und da noch bewundern. Es soll einen Liederbock geben, der mittlerweile fast aus der doppelten Anzahl von Liedern besteht, da sein Besitzer fleißig jedes neu erlernte Lied klein kopiert und irgendwie in den Bock ein- und angeklebt hat. Es wurden Schutzhüllen aus Kothenstoff, mit original Alu-Knopf versteht sich, oder aus Kuhfell im Affendesign hergestellt. Verstärkte Einbände wurden aus verzierten Holzdeckeln oder gebürstetem Edelstahl entworfen um das begehrte Stück Notenpapier als schützenswertes Kulturgut zu erhalten.

In dieser Zeit entstand ein als Geburtstagsgeschenk in Nullauflage erstelltes Liederbuch mit dem Titel >Hurenbock<, in dem Lieder von saufenden Mönchen und ehebrechenden Weibern abgedruckt sind. Dieses subversive, chauvinistische und im höchsten Masse frauenfeindliche Machwerk wird allerdings nie den Weg in eine Druckerei finden.

Die Anfänge des blauen Bocks und das Böckchen

Die Anfragenflut riss nicht ab und so entschließtete (tutete sich entschließen oder hatte sich entschließen tun getan – man war zu der damaligen Zeit sehr anfällig für die Frühstyxradio-Grammatik von Radio FFN) sich der Arbeitskreis erneut in Druck zu gehen. Zwischenzeitlich wurde das Produktionsteam um einige nette Leute aus der Überbündischen Hochschulgruppe zu Göttingen (übhsg) erweitert, viele neue Lieder gesammelt und die Entscheidung fiel, den Bock nochmals komplett zu überarbeiten. Das war ein wirklich schweres Stück Arbeit und mit der Entscheidung einen völlig neuen Bock zu erstellen, war auch klar, dass alle bisher ausgegebenen Exemplare mit der Neuerscheinung ungültig wurden und nach Ablauf amtlich zu entwerten waren. Die Erfahrungen aus dieser Umstellung konnte sich wenige Jahre später die Europäische Zentralbank bei der Einführung des Euros zu Nutzen machen.

Die Liedauswahl des neuen Bocks wurde nochmals überarbeitet und so flogen die wenig bis gar nicht gesungenen Lieder raus. Kinderlieder wurden ebenfalls entfernt, da man für die Kurzen ein extra Liederbuch gestalten wollte. Das war die Geburtsstunde des Liederböckchens, ein Kinderliederbuch, in dem es ausnahmsweise Mal nicht von Helm und Säbel tropft.

Für die äußere und innere Gestaltung konnte ein frischer, unverbrauchter (unser Mutti war mittlerweile auch in die Jahre gekommen) Zeichner namens Florian verpflichtet werden, der mit vielen Grafiken den Bock zu verschönern wusste. Das Liederbuch bekam ein blaues Cover, alle anderen bewährten Elemente wie Noten und Akkorde über dem Text blieben erhalten.

Zur technischen Umsetzung fand man ein moderneres Computerprogramm (Capella) und die gesetzten Noten konnten gleich als Midi-File angehört werden. So haben die Toningenieure noch eine große Anzahl von Fehlern entdeckt. Wieder einmal wurde die Hauptlast der Eingaben am PC im kalten Clausthal-Zellerfeld erledigt, aber Julian war ja Student und hatte neben seiner Dissertation alle Zeit der Welt. Die Hinweise auf Urheber und Quellen der Lieder wurden in aufwendiger Arbeit aus anderen Liederbüchern entnommen, sofern überhaupt welche vorhanden waren. Da fast alle Mitarbeitenden des Liederbocks anfangs ziemlich notenunkundig waren, haben sich natürlich noch eine Menge Notenfehler eingeschlichen, die aber von Auflage zu Auflage nach bestem Wissen korrigiert wurden. Im Vorwort hieß es:

Liebe Freunde des Gesangs und der Musik,

wir haben es geschafft! Nach vielen Arbeitsstunden ist nun die 2. Auflage des Liederbocks endlich Wirklichkeit geworden. Sie enthält viele Lieder, die Ihr möglicherweise noch nicht kennt. Aber über ein intensives Selbststudium werdet Ihr sie lernen.

Jugendbewegtes Singen hat fast immer, als Gegensatz zu seiner Unmittelbarkeit beim Singen, einen historischen Kontext. Setzt Euch mit den Liedern auseinander und singt nicht die hohlen Phrasen herunter. Fühlt was Ihr singt! Das Singen mit dem Liederbock soll Spaß machen! In diesem Sinne:

Singt Freunde!

Der Liederbock ist ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt der VCP-Bezirke Harz und Homburg und nur für den internen Gebrauch gedacht.

Euer Arbeitskreis Liederbock

Und so kam der blaue Bock in die Affen und Rucksäcke vieler Pfadfinderinnen und Pfadfinder, bündischer Vagantinnen und Vaganten, Deutsche Freischar- und Zugvogelgedöhns, sogar, man mag es kaum glauben, einiger Nerother Wandervögel:innen.

Nach einem Konzert von Hein & Oss (Heiner und Oskar Kröher) in der Northeimer Stadthalle wurden die beiden großartigen Protagonisten bündischer Sangesfreuden zu Autogrammen genötigt. Nach jeweils einem Bier und einem Korn gab es eine Widmung:

Dem Löffel

 

von der großen Zunft der Strassenbrüder

 

Hein + Oss

 

drei gezeichnete Wellen und die blaue Blume

Heute steht dieser wertvolle Schatz gut gehütet in einer Panzerglasvitrine. Zum Dank bekamen Hein & Oss je noch ein Bier und einen Korn und 14 Tage später jeweils einen Bock per Post nachgeschickt. Sie bedankten sich ihrerseits mit einem Geschichtenband und einem Liederbuch aus eigener Feder.

Wie es weiter ging und wie es weiter geht...

Im Laufe der Jahre kamen auch einige obskure Anfragen, so wollte z.B. jemand mal die Datensätze des Bocks haben, um mal eben ein paar Liederböcke nur für seine Gruppe auszudrucken. Ein anderer Scherzkeks verlangte nach den Lieddateien, um sie in einer Internetdatenbank der Öffentlichkeit preiszugeben. Vielleicht wollte er auch noch einen fahrtentauglichen Palm (Anmerkung: Vorgänger des Smartphones) auf den Markt bringen, mit optionalem Lautsprecher oder wahlweise mit Kopfhörern, um sich die Titel vorspielen zu lassen. Als besonderer Clou könnte man das Display mit einem flackernden Lagerfeuer im Hintergrund beleuchten. Schönen Dank, dafür haben wir die Arbeit wahrlich nicht gemacht!

Mit den zusätzlichen Auflagen durchbrach man aber auch die moralische Wertevorstellung vom umgangsmäßigen Gebrauch im privaten Kreis und so wurde überlegt, wie man die Liedrechte entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen erwerben kann. Anlässlich eines Sängerfestes in Ottenstein kam man mit helm (Helmut König) ins Gespräch, der ja einst Mitherausgeber des Turms, sowie Musikverleger mit dem Thorofon-Verlag war und auch viele Jahre lang auf Veranstaltungen bündischen Musizierens häufig als Juror bei Singewettstreiten anzutreffen war. Er erzählte von seinen Bemühungen sich beim Voggenreiter-Verlag dafür einzusetzen, dass grundsätzlich den Bünden beim Erstellen von Liederbüchern keine großen Mühen und Kosten abverlangt werden. Der Voggenreiter-Verlag hat eine Vielzahl von Liedrechten und es wäre ein ganz schönes Sümmchen zustande gekommen, hätte man die ersten Angebote widerspruchslos akzeptiert. Schließlich konnte man sich aber auf eine moderate Lösung einigen und es galt nun die Rechte vieler anderer Urheber ausfindig zu machen und zu erwerben. Andere Urheber haben auf Tantiemen ganz verzichtet und nur darum gebeten, als Quellenangabe korrekt genannt zu werden. Das führte natürlich dazu, dass der Selbstkostenpreis stieg und sich aufgrund der aufwendigen Recherche der Druck der ersten genehmigten Auflage verzögerte. Wurde eigentlich schon erwähnt, dass Julian damals alle Zeit der Welt zu haben schien?

Der Liederbock wurde dann dem interessierten Leserkreis zugänglich gemacht und erfreute sich so großer Beliebtheit, dass er zuweilen auch schon für überteuerte Preise bei einem Online-Auktionshaus im Internet feilgeboten wurde. Diese unseriösen Zeitgenossen wurden umgehend mit einem Lieferembargo abgestraft, weil es bis heute nicht geduldet wird, dass Dritte mit dem Bock kommerziellen Reibach machen und irgendwelche Trittbrettfahrer sich einen goldenen Halstuchknoten damit verdienen. Die sollen gefälligst ihr eigenes Liederbuch auf den Markt bringen.

Der Liederbock ist nicht perfekt und will diesen Anspruch auch gar nicht erfüllen. Was einst für die Belange eines Bezirks geplant wurde und dafür gut genug war, hat sich verselbstständigt und die Herausgeber gewissermaßen überrollt. Dadurch, dass der Bock zeitweise nicht zu haben war und auch nicht offiziell gehandelt wurde, entstand schon ein gewisses Mysterium. Niemand wusste genau, wann eine Neuerscheinung geplant war, wo die begehrten Dinger letztendlich zu beziehen sind und woher dieser beknackte Name für ein Liederbuch stammt.

Was man auf jeden Fall feststellen kann ist, dass seit der Erstellung des Urbocks vor über 30 Jahren die Gesangskultur in Teilbereichen des VCPs und vielleicht auch hier und da in einigen anderen Bünden nachhaltig verändert oder zumindest beeinflusst wurde. Und darauf sind die Bockmacher schon ein ganz kleines bisschen stolz, konnten doch auf diesem Wege einige schöne Lieder für nächste Generationen von Pfadfindern und Halstuchträgern anderer Fraktionen ein Stück weit erhalten bleiben. Durch den Liederbock wurden allerdings andere Lieder, die in den 80ern und 90ern gesungen wurden, weitestgehend verdrängt. Somit ist man zumindest in Harz und Homburg gesangsmäßig nicht mehr 100% VCP-kompatibel.

Die Auswahl der Lieder entsprach dem momentanen Zeitgeist jugendbewegten Singens und war nicht in jedem Punkt wirklich reflektiert. Und so haben sich die Leute im Liederbockteam auch mit manchen Titeln schwergetan, die schließlich abgelehnt wurden oder doch noch den Weg in die Druckerpresse fanden.

Beispiele:  

Das „Jalava-Lied“ beschreibt die Rückkehr Lenins aus dem finnischen Exil im Oktober 1917. Der finnische Lokomotivführer Jalava hat Lenin von Finnland nach St. Petersburg geschmuggelt. Der Text stammt von Heinz R. Unger, die Musik von den österreichischen „Schmetterlingen“. Sicherlich ein politisches Lied, welches heute weit verbreitet, mehr gegrölt als gesungen wird, ohne unbedingt zu hinterfragen, wer die Person Lenin war und welche Gräueltaten am sowjetischen Volk mit ihm verbunden sind.

Das Afrika-Lied über die Deutschen Schutztruppen in Deutsch-Ostafrika (heute Ruanda, Burundi, Tansania) „Wie oft sind wir geschritten“ oder „Heia Safari“ wurde bewusst nicht im Liederbock abgedruckt, weil man der Auffassung war, dass dieses Lied nicht mehr in die heutige Zeit passt. „Heia Safari“ war ein 1920 publiziertes, kriegsverherrlichendes Jugendbuch von Paul von Lettow-Vorbeck, der in Deutsch-Ostafrika unmenschliche Grausamkeiten an der dortigen Bevölkerung befahl. Die Deutschen rekrutierten Tausende von Afrikanern als Trägersklaven, was viele nicht überlebten (Quelle: Wikipedia).

Diese, vielleicht als doppelmoralisch falsch interpretierten Entscheidungen spiegeln keine übereinstimmende politische Meinung wieder, sondern sind damalige Momentaufnahmen einer mehr oder weniger vorhandenen geistigen Einstellung zum Inhalt unserer Lieder. Es macht auch deutlich, wie schwierig manchmal die Abgrenzung zu gern gesungenen Gassenhauern ist.

Vielleicht ist es mit diesem kleinen Aufsatz gelungen, ein wenig Licht in das dunkle Loch Liederbock zu bringen, wobei sicher nicht alle Fragen beantwortet worden sind und es auch so schnell nicht werden, denn ein bisschen soll die Spannung gehalten werden.

Hier ein paar häufig gestellte Fragen:

  • Was passiert, wenn die aktuelle Auflage vergriffen ist?
  • Wird es einen zweiten Liederbock mit neuen Titeln geben?
  • Wenn ja, wann kommt er auf den Markt?
  • Wie viele Böcke wurden jemals in Umlauf gebracht?
  • Wie kalt ist es eigentlich in Clausthal-Zellerfeld?
    (Anmerkung des Admins der Homepage, der zwei Tage vorher in Clausthal-Zellerfeld war: aktuell -2,5°C)
  • Was macht Julian eigentlich heute mit seiner vielen freien Zeit?

Ob es je einen zweiten Liederbock geben wird, wer weiß? Material dafür ist sicher genug vorhanden, aber es müssen sich auch Leute finden, die sich dem Stress und der Arbeit aussetzen wollen. Vielleicht gibt es ja aus der jetzigen Generation von Aktiven in Harz und Homburg ein paar Leute, die diese Aufgabe in Angriff nehmen möchten.

Edit: Mittlerweile arbeitet das Team >Doppelbock< seit einigen Jahren (seit 2016) an der Fortsetzung des Projekts und man darf gespannt sein, was dabei herauskommt. Die gesetzlichen Hürden sind deutlich höher gesteckt. Heute reicht es nicht mehr, mit einem Zweizeiler darauf hinzuweisen, dass mit einem Liederbuch kein Geld verdient wird. Insbesondere die Verwertung von Liedrechten benötigt ein besonderes Augenmaß, auch wenn man keine kommerziellen Interessen verfolgt. Zum Zweck der ordentlichen Vermarktung wurde die Bock Bücher UG (haftungsbeschränkt) gegründet und somit müssen die Umsätze und Gewinne versteuert werden. Der administrative Aufwand wird dadurch natürlich ziemlich erhöht.

Eins noch ist ganz wichtig: Das Projekt Liederbock hatte nie den Anspruch besser sein zu wollen als andere Liederbücher oder in direkter Konkurrenz zu ihnen zu stehen. Vielmehr sollte dieses Beispiel andere ermuntern, ihre eigenen Ideen vom Liederbuch zu verwirklichen. Es lebe die Kreativität und es lebe die Vielfalt!

Und als vorläufiges Schlusswort sollte man es halten wie im Netz jemand so treffend formuliert hat: „Am besten sind natürlich die von den Sipplingen selbst geschriebenen und gestalteten Liederbücher!“ (Quelle: www.pfadfinder-treffpunkt.de)

Löffel
VCP Stamm Northeim
(Geburtshelfer beim ersten, zweiten und dritten Liederbock)

PS:

Die Fortsetzung der Chronik muss in absehbarer Zeit von den Aktivisten des Doppelbocks aufgezeichnet werden. Ich sitze dann am irgendwo am Lagerfeuer und freue mich wie Bolle, dass es nach so langer Zeit doch noch gelungen ist, die Begeisterung für jugendbewegtes Singen im VCP weiter zu entwickeln. Und ich bin mir sicher, dass mindestens eine kleine Freudenträne die Wange herunterkullert, wenn ich meinen ersten Doppelbock in den Händen halte.

PPS:

Aus dem nicht mehr ganz knackfrischen Gedächtnis:

Die Mannschaft des Ur-Bocks:

Rudi (Rüdiger B.)     VCP Hullersen

Gesine P.                   VCP Dassel

Henrike P.                  VCP Dassel

Ziege (Jürgen Z.)       VCP Alfeld

Christine S.                VCP Salzderhelden

Andrea F.                   VCP Salzderhelden

Löffel (Stefan T.)        VCP Northeim

Das Team des braunen Bocks:

Julian R.                     VCP Goslar

Roland W.                  VCP Goslar

Irene F.                       VCP Goslar

Schirmi (Thomas S.)  VCP Goslar

Mutti (Andreas B.)      VCP Holzminden

Henrike P.                  VCP Dassel

Gesine P.                   VCP Dassel

Peter S.                      VCP Dassel

Dirk R.                        VCP Dassel

Löffel (Stefan T.)        VCP Northeim

Holgi (Holger J.)         VCP Northeim

Das Team des blauen Bocks:

Dr. pfad. Julian R.      VCP Goslar

Roland W.                  VCP Goslar

Irene F.                       VCP Goslar

Peter S.                      VCP Dassel

Dirk R.                        VCP Dassel

Löffel (Stefan T.)        VCP Northeim

Holgi (Holger J.)         VCP Northeim

Florian H.                   VCP Holzminden

Höttges (Matthias L.) VCP Hullersen

Volko W.                     Übhsg